Montag, 12. Mai 2008

Germany's Geldmaschine Quelle. Abenzeitung

Diese Frau ist überall, sie grüßt von überdimensionierten Plakatwänden, lächelt einem aus jedem zweiten Hochglanzmagazin entgegen, und schaltet man leichtfertig abends den Fernseher an, kann man sie dabei beobachten, wie sie junge Mädchen streng und mit kühlen Worten ermahnt, noch mehr Leistung zu bringen – nur so könnten sie „Germany’s Next Topmodel" werden: Heidi Klum ist zurzeit allgegenwärtig. Das macht die Sache nicht unbedingt leichter.

Heidi Klum ist ja kein Model. Sie war mal eines, aber das ist lange her. Heidi Klum ist kein Supermodel – selbst, wenn sie den Titel groß wie ein Umhängeschild mit sich führt. Längst vorbei die Zeiten, da Heidi, das Mädel aus Bergisch Gladbach, das so gerne Muttis Sauerkrautsuppe löffelt, sich aufmacht und nach New York geht. 1993 war das, und Heidi Klum 19.

Mittlerweile ist aus dem jungen Mädchen eine reife Frau, aus dem Modell eine Unternehmerin, aus der Person Heidi Klum die Marke Heidi Klum geworden: Eine Marke, mit der sich alles verkaufen lässt: Autos und Rasierer, Fruchtgummi und Burger, Parfüm und Gesundheitslatschen. Die Frage ist, wie es dazu kam. Zumal es am Anfang nicht gut aussah.

Wie alles begann

Der Anfang ist 1992. Heidi Klum gewinnt in Gottschalks Late Night Show einen Modelvertrag, zieht ein Jahr später nach New York, aber da will sie keiner. Zu klein, zu kurvig, zu deutsch – bei wem auch immer sie ihre Setcard abgibt, überall hört Heidi Klum diese Worte.

Vielleicht liegt genau hier ein Schlüssel, der hilft, Heidi Klum zu verstehen. Ihren Ehrgeiz. Ihre Härte. Sich selbst und anderen gegenüber. Als in einer der letzten Folgen von „Germany’s Next Topmodel“ eine Kandidatin kurz vorm Nervenzusammenbruch steht, weil sie im Zimmer Kakerlaken gesichtet hat, kommentiert Klum trocken: „Als ich in New York lebte, wimmelte es vor Kakerlaken." Aufhören zu heulen, hieß das. Stark sein. Weitermachen.

Sie selbst hat ja auch immer weitergemacht. Lief von einem Casting zum anderen. Blitzte ab. Immer wieder. Ließ nicht locker – und dann, nach Jahren, kommt der Durchbruch. Er lässt sich datieren, es ist der 20. Februar 1998. Da erscheint die neue „Sports Illustrated“-Ausgabe, Heidi ist auf dem Cover.

Heidi startet durch

Von da läuft die Karriere: Bei US-Talker Jay Leno sitzt sie auf der Couch, bei David Letterman jodelt sie, gut dotierte Fotoshootings gibt es sowieso. Heute ist die 34-Jährige, nach Gisèle Bündchen, das bestbezahlte Model der Welt. Leicht könnte es so aussehen, als liefe bei Heidi Klum alles wie von selbst – doch das stimmt nicht.

Denn Heidi Klum ist nicht nur eine clevere Geschäftsfrau, sie schraubt und feilt seit Jahren schon an ihrem Image. Unermüdlich. Virtuos. So gibt sie sich in Amerika vollkommen anders als bei uns: Hier ist sie das bodenständige Mädchen. Die Strahlefrau, die gerne Fasching feiert – und vergangene Affären aus der Öffentlichkeit hält. 1997 heiratete sie den Friseur Ric Pipino, 2002 lassen sie sich scheiden. Danach sieht man Klum mit Anthony Kiedis von den „Red Hot Chili Peppers“, später mit Flavio Briatore. Heidi Klum hält sich auch hier bedeckt. In Amerika dagegen plaudert sie offen über Sex mit „Amazing“-Sänger Seal, den sie 2005 geheiratet hat, und über sein „ganzes Paket“.

„Heidi Klum vermarktet sich extrem geschickt", sagt Bernd Heusinger, Chef der Berliner Werbeagentur „Zum goldenen Hirschen". „Sie gibt den Leuten exakt das, was sie wollen." Da störe es auch nicht, dass sie für so viele Produkte wirbt. Klum sei so erfolgreich, weil sie eine „Mainstream-Marke" sei. Und dazu „ein bisschen dirty".

Girl next door

Das sieht die Modechefin der „Cosmopolitan“ anders: „Heidi ist so erfolgreich, weil sie nicht unnahbar wirkt", sagt Veronique Tristram. Klum sei das „girl next door", mache den Frauen keine Angst. Das sei ihr Geheimnis. Dazu sei sie höflich, nett, zuvorkommend. Ein Profi - der ebenso profimäßig vom Vater gemanagt wird. Manche sagen: knallhart. Als Gerüchte aufkommen, die Model-Kandidatinnen müssten einen Großteil der Gagen abgeben, schreitet Vater Klum ein: Nein, es gebe keine Knebelverträge, und überhaupt: „Ohne Heidis Show wären die Mädels nichts".

Der Klum-Kosmos ist mittlerweile wie eine undurchdringliche, präzis funktionierende Maschine. Eine Maschine, die Öffentlichkeit inszeniert. Die viel Geld generiert. Und Heidi Klum ist der Motor. Sie läuft und läuft – und wer nicht in ihrem Tempo mitläuft, wird liegengelassen. Das sieht man in ihrer Show, wo die dreifache Mutter gefühlsfrei die Langsamen aussortiert. Das erahnt man, wenn man bei Kolleginnen wie Eva Padberg und Franziska Knuppe anruft oder mit Bruce Darnell, ihrem Coach der ersten Staffel, reden möchte – nur Schweigen.

Vor vier Jahren beschrieb Heidi Klum in der „Zeit“ ihren Traum: „,Nimm dir doch Zeit, Heidi!’, höre ich die Menschen rufen", heißt es da. Und sie antwortet: „Aber so einfach ist das nicht, Herrschaften! Erfolg muss man erhalten, denn er ist wie ein gefräßiges Tier, stets auf der Suche nach Nahrung."

Womöglich beschreibt Heidi Klum sich da selbst ganz gut.

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